Der Rundfunkbegriff

Vom technologieorientierten zum technologieneutralen Begriffsverständnis

Band 24

Ungeachtet der Konvergenz der Inhalte und der Ansätze zur Harmonisierung des materiellen Rundfunkrechts im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, der EG-Fernsehrichtlinie und dem 9. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist der einfachgesetzliche Rundfunkbegriff (noch) von entscheidender Bedeutung für die Dichte und die Strenge des medienrechtlichen Regelungsregimes. Die Qualifikation eines Angebots als Rundfunk entscheidet über das Zulassungserfordernis, über Verpflichtungen zur Gewährleistung der Vielfalt, über die Möglichkeit zur Verbreitung jugendgefährdender Inhalte auch außerhalb geschlossener Benutzergruppen Erwachsener, über Werberestriktionen und über den Vorrang des Angebots bei der Verbreitung.

Im Zuge der Digitalisierung verschwimmen die Konturen des Rundfunkbegriffs bei zahlreichen neuen Angeboten zunehmend. Die Grenze zu den Telemedien lässt sich kaum noch sicher ziehen. Ursache für den Formenreichtum audiovisueller Dienste und des Booms hybrider neuer Dienste und Anwendungsformen ist die fortschreitende Digitalisierung der Übertragungswege. Sie lässt neben einer Vielzahl herkömmlicher Hörfunk- und Fernsehprogramme die Verbreitung neuer rundfunkähnlicher und -fremder Angebote zu. Sie gestattet nicht nur den Empfang zusätzlicher Programme, sondern auch den Abruf ausgewählter Bild-, Ton- und Textbeiträge. Empfang und Abruf sind stets und überall möglich. Andere Formen der Interaktivität rücken in greifbare Nähe.

Der Rechtsanwender steht nicht nur veränderten technischen Bedingungen und neuen Inhalten gegenüber. Seit 1991 fordern auch veränderte europarechtliche Rahmenbedingungen auf dem Sektor des Telekommunikationsrechts, der E-Commerce-Richtlinie und der EG-Fernsehrichtlinie Beachtung. Sie normieren eine Zulassungs- und Anmeldefreiheit für E-Commerce, beanspruchen Technologieneutralität und differenzieren zwischen linearen und non-linearen audiovisuellen Diensten.

Die Landesmedienanstalten haben in den letzten Jahren einige Hundert neue Fernsehprogramme zugelassen und zahlreiche Telemedienangebote für unbedenklich erklärt. Nicht selten haben sie dabei entscheiden müssen, ob es sich um meinungsbildende Rundfunkangebote an die Allgemeinheit oder um weniger bzw. nicht mehr meinungsbildende audiovisuelle Inhalte handelte. War der Pferdewettkanal noch als Rundfunk oder bereits als Telemedium zu qualifizieren? Ist das Webradio, das exklusiv über Internet angeboten wird, anders zu behandeln als Radio über Satellit oder der Zugriff auf die neusten Wirtschaftsnachrichten über Handy?

Das von Prof. Dr. Gersdorf vorgelegte Gutachten soll Hilfe bei der Anwendung des einfachgesetzlichen Rundfunkbegriffs in diesen wie in ähnlichen Fragen geben und durch rechtspolitische Vorschläge einen Beitrag zur Diskussion über die Fortentwicklung des Rundfunkbegriffs und der daran anknüpfenden rundfunkrechtlichen Bestimmungen leisten. Die Auftraggeber sind dem Gutachter für dessen hellsichtige Analyse, die praxisnahen Anregungen und die überzeugenden Verfahrensvorschläge dankbar. Sie wünschen den interessierten Fachkreisen eine informative Lektüre und sind für weitergehende Hinweise und Anregungen aufgeschlossen.

KoPäd Verlag, Februar 2007
97 Seiten, 15 Euro
ISBN 978-386736-024-1


kopaed Verlag, München (http://www.kopaed.de)